Beim Anblick vom Bohrer wird nicht nur Kindern mulmig. Was aber tun, wenn die Angst vorm Zahnarzt oder der Behandlung unerträglich ist?
Sieben Methoden, die helfen:
Au Backe! 15 Prozent der Deutschen haben eine so große Angst vorm Zahnarzt, dass sie lieber Wahnsinnsschmerzen und Zahnruinen in Kauf nehmen, als sich in der Praxis anzumelden.
„Die Oral- oder Dentalphobie ist eine psychische Erkrankung, die prinzipiell aber heilbar ist“, sagt Dr. med. dent. Achim Sieper MSc, Implantologe, Heilpraktiker und qualifizierter Spezialist für zahnmedizinische Psychosomatik aus Kamen. „ Den ersten Schritt muss der Betroffene tun, indem er sich seiner krankhaften Angst bewusst wird, sich ihr stellt.“ Erst dann können Therapien helfen. Einige glätten kurzfristig die aufgewühlten Nerven, andere bringen Dauer-Gelassenheit..
Akupunktur
Bei Ängstlichen setzen Zahnärzte meist die Ohrakupunktur ein. Laut Zahnheilkundegesetz müssen sie sich auf eine Behandlung im Zahn-Mund- und Kieferbereich beschränken. Außerdem gibt es nur in den wenigsten Zahnarztpraxen geeignete Räumlichkeiten für eine Ganzkörper-Akupunktur. Durch das Einstechen von hauchdünnen Stahlnadeln in exakt festgelegte Akupunkturpunkte an Ohrmuschel und -läppchen übt der Arzt oder Heilpraktiker eine Art Reflexreiz auf das vegetative Nervensystem aus. Die Kosten in Höhe von 40 bis 65 Euro müssen meist aus eigener Tasche bezahlt werden. Häufig hilft auch schon eine einzige Akupunkturnadel in der Kinn-Lippenfalte genau auf der Medianebene. Würgereiz - Symptome einer oftmals auch größeren Angststörung - werden damit sicher vermieden.
Fazit: Angstzustände und ihre Begleiterscheinungen lassen sich durch die Ohrakupunktur wirksam therapieren, der Würgereiz mit einer einzigen Nadel.
Beruhigungsmittel
Auch wenn es keine optimale Lösung ist: Bei kaum überwindbaren Ängsten kann der Haus- oder sogar der Zahnarzt selbst vor der Behandlung schon mal ein angstlösendes Medikament (z.B. mit dem Wirkstoff Benzodiazepin) verschreiben. Halten sich die Ängste in beherrschbaren Grenzen, tut es auch ein stärkeres freiverkäufliches Baldrian-, Melissen- oder Hopfenpräparat. Wichtig: synthetische Beruhigungsmittel rund eine halbe bis Dreiviertelstunde vor der Behandlung einnehmen, Pflanzenpräparate eher eine bis eineinhalb Stunden vor der Angstsituation.
Fazit: Rezeptpflichtige Beruhigungsmittel sollten nur in Ausnahmefällen eingenommen werden, da sie schnell abhängig machen. Und es können unangenehme Wechselwirkungen mit lokalen Betäubungsspritzen (z.B. Herzrasen, Kreislaufprobleme) auftreten.
Dämmerschlaf (Fachbegriff Sedoanalgesie)
Relaxed auf dem Zahnarztstuhl wegdösen - der Idealzustand für jeden Dentalphobiker. Möglich macht es ein zeitlich begrenzter Dämmerschlaf per Arminjektion (Sedoanalgesie). Der Patient bekommt die Behandlung nur im Stadium des Halbtraums mit, bleibt aber ansprechbar. Diese Medikamente bewirken außerdem ein großes Vergessen über die gesamte Zahnarztprozedur (retrograde Amnesie). Der Dämmerschlaf lässt sich nur in Praxen durchführen, die für ambulante chirurgische Eingriffe mit geschulten Anästhesisten ausgerüstet sind. Wichtig: rund 3 Stunden vor dem Dämmerschlaf nichts mehr essen, 12 Stunden danach aufs Autofahren verzichten. Vorher bei der Kasse abchecken, ob sie die Kosten von ca. 150 bis 200 Euro übernimmt. Bei Asthmatikern oder chronischen Bronchial- und Lungenerkrankungen Dosis verringern! Immer Atem- und Kreislaufkontrolle mit Pulsoxymetrie. Das Gegenmittel der Wahl heißt Anexate® und sollte bereit stehen. Komplikationen sind so nahezu ausgeschlossen.
Fazit: Der Dämmerschlaf ist genauso effektiv wie die tiefere Vollnarkose, sein Nebenwirkungspotenzial geht allerdings gegen null. Macht Sinn bei umfangreicheren Eingriffen wie Implantationen, Füllungssanierungen, Weisheitszahnentfernung und bei allen chirurgischen Eingriffen und umfangreichen prothetischen Präparationen.
Entspannungsmusik, Audiobrillen
Ob Lieblings-, Entspannungsmusik, therapeutische Musik mit hohen Frequenzen und Herzschlagrhythmus oder Spezialbrillen zum Abspielen eines Videos: die moderne Psychologie weiß, dass diese Methoden die Aufmerksamkeit des Patienten von seiner kopfgesteuerten Angst ab- und zu entspannenden Sinnesreizen umlenken können. Besonders wirksam ist eine Kombi aus therapeutischer Entspannungsmusik, beruhigenden Bildern und Duftstoffen (ätherische Öle). Grund: Je mehr Sinnesorgane auf innere Ruhe gepolt werden, desto eher verfliegen Angstgefühle.
Fazit: Die Ablenkungsmethoden wirken nur bei leichten bis mittelstarken Ängsten. Vorher mit dem Zahnarzt über die Einsatzmöglichkeiten sprechen
Hypnose, Mind-Machines
In Trance wird der rationale Teil des Gehirns einfach abgeschaltet und alles, was unangenehm ist, ausgeblendet. Also auch die Angst vorm Zahnarzt, vorm Bohren und der Spritze oder vor den Schmerzen. Einen guten Zahnarzt-Hypnotiseur erkennt man daran, dass er vor der eigentlichen Behandlung zwei bis drei Lehrhypnosen durchführt, um mit dem Patienten die Vertiefung in die Trance zu üben. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten nicht. Einige Zahnärzte versetzen ängstliche Patienten mit so genannten „Mind-Machines“ in einen tranceähnlichen Zustand. Sie arbeiten mit elektronisch gesteuerten Programmen, die den Patienten mit Hilfe einer Leuchtdioden-Brille in entspannter Leichtigkeit schweben lassen, Verfahren, die aber keine Schmerzfreiheit garantieren!
Fazit: Mit Hypnose kann nur einem Teil der Phobiker beim Arztbesuch geholfen werden. Bei schweren Eingriffen oft nicht geeignet. Lange Vorbereitungszeit, hohe Kosten. Wirkung nicht vorhersehbar, Gefahr psychischer Abhängigkeit.
Verhaltenstherapie
Die kognitive Verhaltenstherapie gilt als effektivste psychotherapeutische Maßnahme. Nach dem Motto „Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung“ sollen die Patienten in die Lage versetzt werden, ihr Denken bewusst zu steuern, um die Angst vorm Zahnarztstuhl gelassen zu meistern. Je nach Schweregrad der Angst sind im Schnitt 6 bis 15 Sitzungen nötig. Die meisten Kassen zahlen die Kosten. Die Therapie muss beim Facharzt für Psychotherapie oder beim Facharzt für psychosomatische Therapie erfolgen.
Fazit: Bei absolviertem Trainingsprogramm lässt sich damit ein Teil der Angst sogar für immer nehmen. Die kognitive Verhaltenstherapie packt die Angst direkt an der Wurzel und hat eine Erfolgsrate von fast 90 Prozent..
Narkose
Die Vollnarkose erfordert stationäre Aufnahmemöglichkeiten. Es gibt natürlich ein Narkoserisiko, welches in extrem seltenen Fällen auch das Nichtwiederaufwachen umfasst.
Der Anästhesist lässt sich für harmlose bis maximal mögliche Komplikationen eine Einverständniserklärung unterschrieben. Das Aufwachen aus einer Narkose kann mit heftigem Unwohlsein, Übelkeit, Erbrechen und einige Tage Halsschmerzen verbunden sein.
Fazit: Nur sinnvoll bei extremen Dentophobiker und umfangreiche Totalsanierungen, eventuell auch bei Mehrfachimplantationen mit Knochenaufbau.
Lokale Anästhetika
Viele Patienten geben an, große Angst vor zahnärztlichen Spritzen zu haben. Die zahnärztliche Behandlung würde ihnen ansonsten keine Probleme bereiten. Bei diesen Patienten ist letztlich genauso vorzugehen, wie zuvor beschrieben.
Das Anti-Angst-Training soll sich keinesfalls auf die zahnärztliche Spritze konzentrieren. In vielen Fällen reicht es aber schon aus, im Vorfeld der Behandlung die Injektion mit der entspannenden Atemtechnik zu üben.
Es gibt zahlreiche Lokalanästhetika die es erlauben, jede zahnärztliche Behandlung nahezu schmerzfrei durchzuführen. Manche dieser Lokalanästhetika enthalten einen Zusatz, der übermäßiges Bluten bei der Behandlung verhindert. Auch sorgen diese Zusätze für eine besonders lange Wirkung.
Positiv ist hierbei, dass der Patient den Schmerz auch nach der Behandlung nicht spürt. Nachteilig ist das hiermit verbundene lange Taubheitsgefühl.
Auch der Einstichschmerz bei der Spritzeninjektion lässt sich durch die Verwendung der heute üblichen feinen Nadeln und durch Aufsprühen eines Oberflächenanästhetikums vermeiden.
Angst richtig zuordnen
Machen Sie sich bewusst, dass Sie sich weniger vor dem Zahnarzt fürchten als vielmehr vor der Behandlung. Sprechen Sie möglichst von einer „Zahnbehandlungsphobie“. Finden Sie heraus, was Ihnen die meiste Angst bereitet. Oft sind das die Symptome, die mit einer unangenehmen Zahnbehandlung einhergehen können (wie Muskelverspannungen, Zittern, Brechreiz, Herzrasen, Übelkeit, Kurzatmigkeit). Vielleicht fällt es Ihnen generell schwer, anderen Menschen zu vertrauen. Auch die Behandlungsumstände können ängstigen, insbesondere wenn man sich dem Zahnarzt hilflos („gedemütigt“) ausgeliefert fühlt, weil man auf dem Rücken liegt, unfähig ist zu sprechen und erlebt, wie andere in einen hochempfindlichen Teil des Körpers eindringen. In einer solchen Situation entstehen Gefühle von Ohnmacht um so schneller, je schwerer man sich tut, anderen Grenzen zu setzen bzw. „nein“ zu sagen. Bei manchen Menschen verbirgt sich hinter einer Zahnbehandlungsphobie vor allem „Schamangst“, weil sie wegen schlechter Zahnhygiene Kritik durch den Zahnarzt erwarten oder befürchten, als „Feigling“, zu erscheinen.
Sie sind mit Ihren Ängsten nicht allein und Ihr Zahnarzt hat allergrößtes Verständnis für Sie. Sprechen Sie ihn offen darauf an, Sie haben einen Einblick gewonnen, welche Möglichkeiten für schmerz- und angstfreie Behandlungen es heutzutage gibt.
Dr. med. dent.
Achim Sieper MSc
■ Master of Science Implantologie
■ Qualifizierter Spezialist für Prothetik
■ Zahnarzt und Heilpraktiker
■ Zusatzqualifikation Psychosomatik (APW)
■ Manager im Health Care Systems
■ 1. Vorsitzender der Gesellschaft der
Master Implantologen (GMJ)
■ Bestsellerautor u.a. „Implantate - Bissfest ein Leben lang“
■ Int. Referent und Gastdozent