Es ist kühl, der Himmel ist bewölkt, es fröstelt mich ein wenig, als wir aus dem Flieger steigen. Wir gucken auf grüne Hochebenen. Im Norden ragen ein paar Vulkane in den Himmel. Dort sollen die Berggorillas leben, sagt man uns, nur noch 300 an der Zahl.
So hatten wir uns Afrika nicht vorgestellt.
Ruanda ist ein Armes Land, es zählt zu den ärmsten in Afrika, nicht zuletzt wegen der Konflikte zwischen den Volksgruppen der Hutu und Tutsi, die im Völkermord an den Tutsi 1994 gipfelten. Doch das Land ist im Umbruch. Die Menschen scheinen friedlich miteinander umzugehen, obgleich man sich fragt, wie das Trauma des Völkermordes – innerhalb von 100 Tagen wurden bis zu 1 Million Menschen umgebracht – verarbeitet wurde, denkt man an unsere Väter und Großväter.
Besonders die Kinder leiden unter den Nachwirkungen des Völkermordes. Nach Angaben von UNICEF wachsen 600.000 Kinder ohne oder mit nur einem Elternteil und in extremer Armut auf. Nach Schätzungen von UNICEF, gibt es in Ruanda rund 28.000 so genannte Kinderhaushalte. Über 100.000 Jungen und Mädchen in diesen Familien sind ohne Eltern und schlagen sich weitgehend allein durch. Meist kümmern sich die ältesten Mädchen um die Versorgung ihrer jüngeren Geschwister. Die Chancen der Kinder, sich eine bessere Zukunft zu erarbeiten, sind gering: 90 Prozent der Jungen und Mädchen aus Kinderhaushalten gehen nicht zur Schule. Nach Schätzungen von UNICEF leiden heute in Ruanda rund eine Million Kinder unter besonders schwierigen Lebensbedingungen.
Und dieses Bild bestätigt sich auch in den Krankenhäusern, die wir besuchen. Im Hospital in Nemba lernen wir Jamal kennen. Jamal ist dreizehn Jahre und man hat ihm auf die „traditionelle Art Und Weise“ einen Zahn gezogen. Die Folgen sind nun eine Infektion mit extremer Schwellung. Da in diesem Krankenhaus die Möglichkeit den Abszess chirurgisch zu öffnen nicht gegeben ist, muss er in das in Kigali gelegene Childrens Hospital gebracht werden. Hierzu fehlen ihm allerdings die finanziellen Mittel. So kann solch ein Eingriff auch tödlich enden.
Auch wenn wir vor Ort nicht helfen können, kann eine Spende von uns den Transport möglich machen. Alles wird sofort in die Wege geleitet damit Jamal in Kigali eine bessere medizinische Versorgung erhalten kann.
Sam, unser Begleiter in Ruanda, berichtet aber auch viel Positives von dem Land, dass sich in den letzten Jahren extrem weiterentwickelt hat. Der Präsident Kagame arbeitet mit seiner Regierung ernsthaft daran, dass alle Menschen Nahrung, Bildung und Gesundheitsversorgung bekommen, damit es Perspektiven statt Unruhen gibt.
Wir verlassen das Land mit gemischten Gefühlen. Einerseits, weil der Völkermord ein wunderschönes Land überschattet, andererseits weil wir viel Hoffnung gesehen haben und wir regelrecht gespürt haben, dass das Land und die Menschen im Umbruch sind.
Die gleißende Sonne die auf die rotbraune Erde brennt. Keine Wolke am Himmel. Es ist drückend und gefühlte 40°C. Kein Lüftchen weht. Der Schweiß läuft mir den Rücken hinunter. Hier und da mal ein vertrockneter Busch. Faszinierend sind die riesigen Baobabbäume, die mir aus dem „kleinen Prinzen“ bekannt sind. Bis zu 2000 Jahre haben sie auf dem Buckel. Fehlt jetzt nur noch die Herde Elefanten und ein Paar Gazellen…
Wir sitzen in einem Bulli, es geht drei Stunden von Lusaka bis nach Siavonga am Lake Kariba.
Der Anblick von Wasser kommt mir in dieser Region erstmal bizzar vor. Ich frage mich wie die Menschen das aushalten, in dieser Steppe noch fern vom Wasser. Wir fahren an vielen Dörfern vorbei. Die Menschen leben in kleine Lehmhütten.
Eine Ochsenherde versperrt den Weg, wir müssen warten bis der Weg wieder frei ist.
Und dann taucht er vor uns auf, der riesige Lake Kariba. Ein Stausee, entstanden durch den Bau einer der größten Staumauern der Welt. Viele Dörfer mussten hierfür in den 60er Jahren evakuiert werden. Die Menschen, die sich aufgelehnt haben, wurden einfach erschossen. Heute ist der Stausee ein Segen für die Menschen.
Wir wollen uns erfrischen in dem kühlen Wasser des Sees. Doch wir werden gewarnt, bis zu fünf Meter große Krokodile gibt es hier.
Herman the German, der Mann für alles begrüßt uns in seiner kleinen Sandy Beach Loge. Der Musiker, der schon seit vierzig Jahren hier lebt, hat viel Gutes getan. Die Zahnstation im Krankenhaus von Siavonga hat er mithilfe von Spenden aufgebaut, ein Hausboot hat er organisiert, auf dem eine mobile Zahnstation aufgebaut wird und mit dem wir die Dörfer, die am Ufer des Lake Kariba liegen besuchen können.
Aufklärungsarbeit und die Ausbildung von den Dental Therapists, die helfen sollen, wenn mal keine Zahnärzte vor Ort sind, gehören in unserer Zeit in Sambia zu unseren Hauptaufgaben.
Die Menschen sind sehr dankbar für die Hilfe. Es muss erstmal ein Bewusstsein geschaffen werden, regelmäßig zum Zahnarzt zu gehen bzw. überhaupt die Zähne zu putzen. Hier gibt es andere, schlimmere Probleme. Sambia gehört zu den Ländern mit der höchsten HIV-Infektionsrate.
Viele schlimme Fälle sehen wir. Dazu gehört der 21 jährige Amaru. Vor etwa vier Wochen wurde ihm ein Zahn im Unterkiefer gezogen. Ein paar Tage später kam er mit einer Schwellung. Er bekam Antibiotika, doch die Schwellung wurde nicht besser. Als wir ihn sehen, vier Wochen nach der Zahnentfernung scheint der Abszess am Kinn fast durch zu brechen. Die Wunde im Mund ist verheilt. Wir sind ratlos! Das muss eine andere Ursache haben. Lymphknoten, Speicheldrüse, wahrscheinlich eine dem Patienten nicht bekannte HIV-Infektion und daher so eine heftige Reaktion durch das geschwächte Immunsystem. Wir wissen es nicht genau. Aber wir wissen eins: das muss sofort aufgemacht werden.
Also wird alles für den Eingriff vorbereitet. Der junge Arzt der den Eingriff durchführen soll nimmt uns mit ins Operating Theater. Bei der Hygienekette ist er sehr penibel. Amaru lässt den Eingriff ohne zu murren über sich ergehen. Er ist dankbar, dass ihm endlich geholfen wird. Was für eine Erleichterung als der Schnitt gesetzt ist und der Eiter heraus kann. Und was für einen Menge…..!
Nach getaner Arbeit möchten wir uns erstmal in dem kleinen Pool von Herman erfrischen. Aber Hermann hat ein straffes Programm für uns. Das Hausboot mit der mobilen Zahnstation wartet schon auf uns und die Kinder, die wissen wollen, was eine Zahnbürste ist und wie man sich richtig die Zähne putzt. Die Großen helfen den Kleinen. So machen sie das jetzt jeden Abend, bevor es schlafen geht.
Wir lernen die 16 jährige Dakatio kennen. Ein hübsches Mädchen, doch lächeln möchte sie nicht! Sie schämt sich, weil ihre beiden Frontzähne fehlen. Als kleines Mädchen war sie gestürzt, erzählt sie, und hatte dabei die Zähne verloren. Auch wenn das Bewusstsein fürs Zähneputzen noch nicht so ausgeprägt ist, spielt die Ästhetik doch eine große Rolle. Sie sagt, dass die fehlenden Zähen der Grund wäre, warum sie noch nicht verheiratet ist, im Gegensatz zu all ihren Freundinnen.
Ich möchte der jungen Frau wieder ein Lächeln schenken. Implantat oder eine Brücke…. nein, das geht hier nicht, dazu fehlen die Möglichkeiten. Aber in dem kleinen Labor, welches Hermann eingerichtet hat, kann ich ihr, nachdem ich einen Abdruck von ihrem Kiefer genommen habe eine kleinen Prothese anfertigen. Sie ist überglücklich und wir sehen sie endlich mal wieder lachen.
Noch so viel mehr gibt es aus dem Land in Afrika, in das man als Tourist wahrscheinlich nie gekommen wäre zu berichten.
Von den Menschen, für die materielle Dinge keine Rolle spielen, die unter den einfachsten Bedingungen leben und sehr glücklich wirken.
Von den Präsidentschaftswahlen, die gerade als wir dort waren stattgefunden haben. Ein neuer Präsident ist gewählt worden – Michael Sata von der „Patriotischen Front“. Hoffnungsträger für die arme Bevölkerung Sambias.
Von dem Mädcheninternat, welches Herman für Waisenmädchen errichtet hat, so dass auch diese Mädchen, einen Zugang zu Bildung haben. Ein Mann hat normalerweise drei bis vier Frauen. Ein Mädchen schnappt er sich, nimmt sie mit in seine Hütte und ab dann ist sie seine Frau, weil ihre Familie sie auch nicht mehr zurücknehmen würde. Von der roten Erde, den Termitenhügeln den Elefanten und Giraffen.
Afrika hat mich in seinen Bann gezogen. Ich bin dankbar dafür diese tolle Erfahrung gemacht zu haben. In Gedanken befinde ich mich noch häufig auf diesem Kontinent.
Die nächste Reise soll wieder irgendwo in Afrika stattfinden. So viel gibt es dort noch zu entdecken…
Dr. Friederike Knolle MSc